Urindiagnostik und Nierenleistung

Urindiagnostik und Nierenleistung
Urindiagnostik und Nierenleistung
 
In über 90 % der Fälle ergeben sich Hinweise auf eine Nierenerkrankung aus Laboruntersuchungen am Urin. Die Laborwerte reichen jedoch meist für die Feststellung der zugrunde liegenden Krankheit nicht aus. Wichtig sind auch weitere Symptome, z. B. Beschwerden beim Wasserlassen oder Fieber.
 
 Uringewinnung
 
Für qualitative Urinanalysen (für Analysen des Urins auf seine Bestandteile) werden Spontanurinproben eingesetzt, das heißt, der Patient wird aufgefordert, seinen Harn in einem Becher abzugeben. Bakteriologische Untersuchungen erfolgen am Mittelstrahlurin (die ersten 50 ml Urin werden nicht aufgefangen), am Katheterurin (der Urin wird mithilfe eines Blasenkatheters, der in die Harnröhre geschoben wird, gewonnen) oder am Punktionsurin (der Urin wird mit einer Punktionsnadel durch die Bauchdecke aus der Blase gezogen). Für quantitative Analysen verwendet man Sammelurinproben, das heißt, der Harn eines Tages muss aufgefangen werden.
 
 
Eine sichtbare Trübung oder Verfärbung des Urins lässt sich oft mit bloßem Auge erkennen, z. B. werden Blutbeimengungen im Harn (Hämaturie) bereits ab 1 ml Blut/l Urin sichtbar. Im Zweifelsfall gelingt der Nachweis von Blut mithilfe spezieller Teststreifen. Diese weisen durch Verfärbung nach kurzem Eintauchen in den Harn auch weiße Blutkörperchen, Eiweiß, roten Blutfarbstoff (Hämoglobin), Nitrit, Zucker, die Gallenfarbstoffe Bilirubin und Urobilinogen sowie Ketonkörper, Stoffwechselprodukte mit bestimmter chemischer Zusammensetzung, nach. Außerdem kann der pH-Wert gemessen werden. Nicht alle Eiweiße im Urin führen bei gleicher Urinkonzentration zu gleich starken Farbausschlägen. Zur Differenzierung der im Harn enthaltenen Eiweiße und deren Menge wird die Elektrophorese des Urins eingesetzt. Auch das Sediment des Harns, der Bodensatz, kann Aufschlüsse über das Vorliegen einer Krankheit geben. Das Sediment wird unter dem Mikroskop untersucht; dadurch lassen sich u. a. Mikroorganismen, Zellen aus dem Harntrakt, rote und weiße Blutkörperchen sowie Salzkristalle feststellen. Alle diese Urinbestandteile lassen sich auch im Harn eines gesunden Menschen finden. Erst ein Überschreiten der Normwerte deutet auf eine Erkrankung hin.
 
Rote Blutkörperchen, Eiweiß und Nitrit im Urin deuten z. B. auf eine Entzündung der Nieren bzw. der ableitenden Harnwege hin. Gallenfarbstoffe im Harn weisen auf eine Lebererkrankung, Zucker und Ketonkörper auf Diabetes mellitus hin.
 
 Richtungweisende Befunde
 
Von vermehrter Eiweißausscheidung (Proteinurie) ist die Rede, wenn pro Tag mehr als 150 mg Eiweiß mit dem Urin ausgeschieden werden. Bei nahezu allen Nierenerkrankungen ist die Eiweißausscheidung erhöht. Die Menge des Eiweißes und die Molekülgröße der Eiweißkörper ist deshalb entscheidend. Diese Werte liefern einen ersten Hinweis auf den Ort der Schädigung und damit auf die Erkrankung. Die Ausscheidung von mehr als fünf roten Blutkörperchen pro Gesichtsfeld kann durch Nierenerkrankungen, aber z. B. auch durch Stoffwechselstörungen hervorgerufen werden. Mehr als fünf bis zehn weiße Blutkörperchen pro Gesichtsfeld im Urin weisen auf eine entzündliche Erkrankung der Nieren oder der Harnwege hin, die unter Umständen durch Mikroorganismen hervorgerufen wurde. Aus diesem Grund sollte eine Urinkultur angelegt werden, mit deren Hilfe eine bakterielle Infektion diagnostiziert werden kann.
 
Auf eine Nierenerkrankung weist auch eine Erhöhung der harnpflichtigen Substanzen (Stoffwechselabbauprodukte, die mit dem Harn ausgeschieden werden) im Blut hin. So kann z. B. eine erhöhte Konzentration der Harnsäure im Blut (Normwert Männer: 3,6-7 mg/dl Blut; Frauen: 2,3-6,1 mg/dl) auf Niereninsuffizienz, aber auch auf Gicht oder Leukämie hindeuten. Auch ein erhöhter Blutserumgehalt an Kreatinin, das als Stoffwechselendprodukt aller Muskeltätigkeiten entsteht (Normwert Männer: 0,55-1,36 mg/dl Blut; Frauen: 0,47-1,17 mg/dl), kann durch Niereninsuffizienz oder Nierenversagen entstehen.
 
 Funktionstests der Niere
 
Vor dem Anstieg der harnpflichtigen Substanzen im Blut kann eine Einschränkung der Nierenfunktion nur mit Clearance-Methoden erfasst werden. Dabei wird gemessen, wie ein Stoff in einer gewissen Zeiteinheit über die Nieren mit dem Urin ausgeschieden wird, und das Ergebnis mit Standardwerten verglichen. Meist wird die Kreatinin-Clearance durchgeführt. Dabei wird der Urin 24 Stunden (t) gesammelt. Danach wird das Urinvolumen (V), das Urin-Kreatinin (UKrea) und das Serum-Kreatinin des Bluts (SKrea) bestimmt. Nun kann die Kreatinin-Clearance mit der Formel CKrea = (UKrea x V)/(SKrea x t) berechnet und die Filtrationsleistung der Niere beurteilt werden.
 
Siehe dazu auch: Urin und KrankheitserkennungEiweißstoffwechsel (Normwerte)

Universal-Lexikon. 2012.

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  • Harn — Urin; Pipi (umgangssprachlich); Pisse (derb); Natursekt (vulgär) * * * Harn [harn], der; [e]s, e (Med.): gelbliche, klare Flüssigkeit, die der Körper regelmäßig ausscheidet: die Spieler mussten wegen einer Dopingkontrolle Harn lassen. Syn …   Universal-Lexikon

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